Praxisbeispiel: Gemeinde Herisau

Kernaussage zu BGM

«Die Investition in ein BGM ist zunächst zwar nicht messbar, hat aber rasch grossen Einfluss auf die Stimmung und auf das Wohlbefinden der Mitarbeitenden. Das wiederum wirkt sich auf die Arbeitsleistung aus. Wenn es den Mitarbeitenden gut geht, geht es dem Betrieb gut.»

Vom Zufallsprodukt zur Herzensangelegenheit

Zufriedene Mitarbeitende sowie weniger Kündigungen und Absenzen am Arbeitsplatz: Das möchte die Gemeinde Herisau mit ihrem neuen BGM-Konzept erreichen. Vor einem Jahr hat sie begonnen, dieses umzusetzen – unter anderem mit einer neu geschaffenen Stelle für eine BGM-verantwortliche Person.

Als Zufallsprodukt, über das er mittlerweile sehr froh sei: So beschreibt Thomas Baumgartner, Gemeindeschreiber von Herisau, das neue Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM). Die Gemeinde befindet sich im ersten Jahr der Umsetzung ihres BGM-Konzepts. Auf einen Zufall zurückzuführen ist das, weil der Kanton Appenzell Ausserrhoden 2017 in seinem neuen Personalgesetz BGM eingeführt hatte und in der Gemeindeverwaltung Herisau kurz darauf eine Revision des Personalreglements anstand.

«Als grösste Gemeinde im Kanton war es für uns selbstverständlich, dass wir nachziehen würden. Ausserdem wünschte sich auch unser Gemeindepersonalverein ein BGM-Konzept», sagt Baumgartner und fügt an: «Was auf uns zukommt, wussten wir damals allerdings noch nicht.»

Feste Stelle für BGM geschaffen

Seither hat sich in der Gemeinde mit ihren 500 Mitarbeitenden in Verwaltung, sozialen Diensten, Schule, Sport und betrieblichen Bereichen wie etwa den Technischen Diensten einiges getan. Die grösste Veränderung ist, dass eine 30-Prozent-Stelle für einen BGM-Verantwortlichen geschaffen wurde. «Unser Vorsatz, systematisch ein BGM einzuführen, sollte nicht im Sande verlaufen», sagt Thomas Baumgartner. Seit Anfang 2022 ist Christoph Bertschinger daher fix in der Gemeindeverwaltung anzutreffen. Davor hat der selbständige BGM-Experte die Gemeinde im Mandatsauftrag beraten. Zunächst hat Bertschinger erhoben, was in den Bereichen Arbeitssicherheit, Gesundheitsförderung und Casemanagement bereits umgesetzt wird und welchen Handlungsbedarf in den einzelnen Abteilungen besteht. Danach hat er eine Organisation des BGMs aufgebaut: Dazu gehört eine Steuergruppe mit dem Gemeindepräsidenten, dem Gemeindeschreiber sowie zwei Abteilungsleiter*innen. Hinzu kommen eine Fachstelle BGM mit Beteiligung des Personaldiensts und zwei Arbeitsgruppen mit den Bereichs-Gesundheits-Beauftragten der neun Abteilungen.

Konflikte konstruktiv angehen

Was bringt solch ein systematisches BGM der Gemeinde? «Das Ziel jedes BGMs ist, dass Absenzen am Arbeitsplatz und Kündigungen abnehmen», sagt BGM-Experte Bertschinger. Es sei wichtig, Mitarbeitende zu halten, gerade wenn Stellen schwer zu besetzen seien. Baumgartner ergänzt: «Die Voraussetzung dafür ist, dass niemand wegen betrieblicher Umstände oder Ereignisse am Arbeitsplatz krank wird.» Als Beispiel nennt er Konflikte. Durch diese würde die Energie der Mitarbeitenden am falschen Ort verbraucht. Es sei daher wichtig, dass sie konstruktiv angegangen würden. Kommt es zu Konflikten am Arbeitsplatz, ist Christoph Bertschinger direkte Ansprechperson für die Mitarbeitenden. «Typische Fälle sind psychische Auffälligkeiten, weil jemand mit Arbeitskolleg*innen oder mit dem Führungsstil von Vorgesetzten nicht klarkommt», sagt er. «Meine Aufgabe als neutrale Person ist es, mit den involvierten Personen eine Lösung zu entwickeln.»

Neue Kultur soll entstehen

In der Gemeinde Herisau gibt es insgesamt 35 Führungskräfte. Baumgartner hofft, dass durch das neu eingeführte BGM eine gemeinsame Kultur im Umgang mit Konflikten und generell in der Gesundheitsförderung entsteht. Zurückgreifen können die Vorgesetzten beispielsweise auf den neu entwickelten, internen Leitfaden für Führungskräfte im Umgang mit auffälligem Verhalten von Mitarbeitenden. Der Leitfaden orientiert sich an der Kampagne «Alles im grünen Bereich» des Forums BGM Ostschweiz. Diese thematisiert, wie die psychische Gesundheit von Mitarbeitenden erhalten und gefördert werden kann. Durch BGM sollen die Mitarbeitenden zudem dafür sensibilisiert werden, wie wichtig gesundes Verhalten ist. Dazu gehören etwa Bewegung, gesunde Ernährung oder ergonomische Arbeitsplätze. Die Gemeinde Herisau beteiligt sich beispielsweise an der Aktion «Bike to work» und stellt ihren Mitarbeitenden höhenverstellbare Arbeitstische zur Verfügung. «Gesundes Verhalten und gesunde Verhältnisse am Arbeitsplatz gehen miteinander einher. Es braucht beides, um die Gesundheit der Mitarbeitenden zu schützen», sagt Bertschinger.

BGM hat grossen Einfluss auf das Arbeitsklima

Für ein erstes Fazit ist es laut Baumgartner und Bertschinger derzeit noch zu früh. Nach drei bis vier Jahren werde sich eruieren lassen, ob und wie sich das Image der Gemeinde Herisau als Arbeitgeberin gewandelt hat, wie sich die Fluktuation sowie die Anzahl Bewerbungen auf eine ausgeschriebene Stelle verändert haben. Zu tun gibt es bis dahin noch einiges. Mit dem BGM befinde man sich noch am Anfang. So sollen als nächstes spezifische Themen in einzelnen Ämtern bearbeitet werden, beispielweise das Thema Überlastung. Orientierung bietet dabei die nationale Kampagne «Wie geht es dir?», die dafür sensibilisiert, am Arbeitsplatz über psychische Gesundheit zu sprechen. «Generell meine ich, dass man im BGM nie genug getan hat. Es gibt immer Sachen, die aufgefrischt oder neu angegangen werden können», sagt Baumgartner. BGM systematisch anzugehen sei eine Investition, die sich lohnt. «Diese ist zunächst zwar nicht messbar, hat aber rasch grossen Einfluss auf die Stimmung und auf das Wohlbefinden der Mitarbeitenden. Das wiederum wirkt sich auf die Arbeitsleistung aus. Wenn es den Mitarbeitenden gut geht, geht es dem Betrieb gut.»